Interviews

Eine Lebensaufgabe

Gründer Frank Grossmann erzählt von seiner Vision 

Die Förderstiftung Orphanhealthcare wurde 2010 von Frank Grossmann ins Leben gerufen. Mit der zu grow gehörigen Stiftung möchte Grossmann von seltenen Krankheiten betroffene Kinder und ihre Familien unterstützen. Zudem entwickelt er mit der Orphanbiotec AG neue Therapien für dieses vernachlässigte Gebiet.


Mit welcher Vision haben Sie OrphanHealthcare gegründet?

Frank Grossmann: Ich möchte Kindern mit seltenen Krankheiten zu mehr Selbstvertrauen, Lebensqualität und bezahlbaren Medikamenten verhelfen. Denn auch wenn seltene Krankheiten nach nur wenigen Betroffenen klingen, so gibt es mit inzwischen 7000 bekannten Krankheiten allein in Europa 20 Millionen Kinder mit einer solchen Diagnose, wie zum Beispiel Mukoviszidose oder die oft als Schlafkrankheit bezeichnete Narkolepsie.

Als selten gelten alle Krankheiten, bei denen weniger als fünf Betroffene auf 10 000 Gesunde kommen. Infolgedessen wurden keine Therapien von den grossen Pharmafirmen entwickelt, weil die Zahl der Betroffenen zu klein ist. 

Odoo • Text und Bild

Warum ausgerechnet seltene Krankheiten?
Mit zwölf Jahren bin ich selbst an einer seltenen Krebsart, einem Lymphdrüsenkrebs, erkrankt. Obwohl ich im Spital viele andere Kinder sterben sah, wollte mir damals niemand liebevoll und altersgerecht verpackt erklären, warum ich krank war und es keine Medikamente gab.

Nachdem ich mit viel Glück und vier Jahren quälenden Therapien die Krankheit überwinden konnte, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, den betroffenen Kindern Kraft und den Familien Widerstandsfähigkeit zu geben.

Ich finde es überraschend, dass Sie Tier- und nicht Humanmedizin studiert haben.
In der Tat wäre ich gerne Kinderarzt geworden. Doch war ich durch die viele Therapien so traumatisiert, dass mir noch viele Jahre später schon beim Betreten eines Spitals übel wurde. Tiermedizin war damit die naheliegendste Wahl. Meine Dissertation an der ETH Zürich habe ich dann aber zu einem humanmedizinischen Thema verfasst.

Wann haben Sie mit der Arbeit für betroffene Kinder begonnen?
Nach dem Studium habe ich eine Tierarztpraxis geleitet, da mich der Kanton Zürich nur in meinem angestammten Beruf arbeiten liess. Im Anschluss bin ich für die weitere Ausbildung zu Pharmafirmen gegangen, um zu erlernen, wie man Medikamente entwickelt.

In diesen «Lehr»-jahren habe ich Geld und Know-how gesammelt und 2009/10 das Hybrid gegründet, eine damals einmalige Kombination aus einer Aktiengesellschaft und einer gemeinnützigen Stiftung, für die wir 2011 den ersten Platz am SEIF Award gewonnen haben.

Wie helfen Sie?
Wir helfen auf zweierlei Weise. Mit der Stiftung stärken wir erkrankte Kinder und ihre Familien und unterstützen diese gezielt durch Beratung, Begleitung und Befähigung. Dieses «Patient Empowerment», wie wir das nennen, erreichen wir durch mehrere Massnahmen. So haben wir das Kinderbuch «So wie du und ich – Cubas fantastische Reise zu den Seltenen Krankheiten dieser Welt» entwickelt. Darin reist meine Zwergschnauzer-Hündin Cuba um die Welt, wobei sie andere, von einer seltenen Krankheit betroffene Tiere trifft und sich ihre Geschichten erzählen lässt. Dieses Geschichtenerzählen ist für Kinder extrem wichtig, da sie so erlernen, dass sie anders aber doch gleich sind und Freunde auch für sie da sind.

Ausserdem organisieren wir sogenannte Elfen-Camps für die Kinder und ihre Familien, bei denen wir die Eltern beraten, während die Kinder spielerisch betreut werden und so auch andere Betroffene kennenlernen können. Zudem gibt es bei uns Seminare für Familien und Fachpersonen und Direkthilfe für dringende Bedürfnisse, die von den Krankenkassen oder der IV nicht berücksichtigt werden.

Mit der Aktiengesellschaft, der Orphanbiotec AG, entwickeln wir derweil neue Medikamente. In Zukunft auch zusammen mit Impact-Investoren.

Wie gelingt es Ihnen, Geld und Unterstützung für eine solche Vielzahl von Krankheiten zu bekommen?
Finanziert wird diese teure Entwicklungsarbeit für neue Therapien mit einer Anschubfinanzierung durch öffentliche Gelder und private Gönner, welche die Stiftung unterstützen. Auch gehen wir Partnerschaften ein, beispielsweise mit universitären Forschungseinrichtungen. Weil wir keine eigenen Labors unterhalten, bleiben die Kosten überschaubar.

Gerade steckt das erste auf diese Weise entwickelte Medikament in der präklinischen Phase. Etwas mehr als 11 Millionen kostet Orphanbiotec die Entwicklung dieses Präparats, das bei der Therapie von Magenkrebs zum Einsatz kommen soll. Das ist im Vergleich zu einer klassischen Pharma-Entwicklung sehr viel günstiger.

Wer sind Ihre prominentesten Unterstützer – und warum machen sie mit?
Die prominentesten Unterstützer sind Firmen wie die Swiss Prime Site, Actelion und Partner-Stiftungen. Für diese ist es als «sozial engagierte Partner» wichtig, dass wir unsere Stiftungsarbeit weiterverfolgen können. Allen Firmen, die sich im Sinne einer CSR oder Circular Economy engagieren und die eine sehr gute öffentliche Reputation besitzen, sind wir offen gegenüber. Firmen, die eine negative öffentliche Sichtbarkeit oder hausgemachte Skandale haben, kommen für uns nicht in Frage.

Eine Vielzahl privater Gönner ist auch involviert. Diese möchten aber meist im Hintergrund.

Was sind Ihre nächsten Ziele?
Ich wünsche mir, dass mein Kinderbuch in weitere Sprachen übersetzt wird und alle Charaktere als Plüschfiguren kranken Kindern weltweit Lebensmut machen. Wenn dann noch neue und innovative Entwicklungspartner mit an Bord kommen und wir mit weiteren Impact-Investoren die nächsten Entwicklungsschritte finanziert haben, können wir sehr zufrieden sein. Ein Teil des Gewinns der AG fliesst dann direkt in die Stiftung und damit wäre der Kreis der Circular Economy auch hier geschlossen.

Welchen Tipp geben Sie anderen, die sich mit der Idee einer Stiftung tragen?
Es ist nicht viel anders als bei einem Unternehmen. Das Wichtigste ist, dass man eine Vision hat, sich konkrete Ziele für die Arbeit steckt und diese im Herzen und im Kopf verfolgt. Ein langer Atem hilft auch, da nicht immer alles auf Anhieb gelingt. Eine klare Strategie ist immer sehr hilfreich. Und natürlich auch die Finanzen, die es braucht und die langfristig zur Verfügung stehen sollten.

Und man sollte manche Dinge so annehmen, wie sie passieren. Damit meine ich, dass man oft auch über Umwege ein Ziel erreichen kann und dabei viel lernt. Und zu guter Letzt darf man nicht vergessen, Partnerschaften wirklich gut zu pflegen. (28.11.2019)